1. Wer vom Ziel nicht weiß
2. Das Lob der Faulheit
3. Das Fest des Wüstlings
4. Von des Todes Gewißheit und der Tugend
5. Bis aufs Blut
6. Judas
7. Erster Schnee
8. Zur Hölle
9. Hymnus an den Zorn
10. Lied der Rache
Wer vom Ziel nicht weiß
Wer vom Ziel nicht weiß, Christian Morgenstern (1871 – 1914)
Von des todes gewißheit und der tugend, Georg Rodolf Weckherlin (1584 – 1653)
Breit ist der weg
zu des todes finsterm haus,
ohn thür das thor,
da man stets hinein gehet,
sich aber wert
zu ziehen noch daraus,
hierauf die müh,
hierauf das werk bestehet.
Der tugend weg ist schmal,
mit dornen wol verschlossen,
gering auch deren zahl,
die mutig, unverdrossen
sich durch der götter gunst
und durch der tugend kunst,
dem pöfel fern entzogen,
zu dem gestirn geflogen.
Superbia, Luxuria, Invedia, Gula, Ira
Avaritia cum Ira, Acedia, Invedia
Ja auch der götter macht
hat ihren sitz vollkommen
und selig nicht gemacht;
wer hat nicht wargenommen,
wie sonn und mon gemein
verfinstern ihren schein,
und wie des himmels zeichen
oft mangelhaft verbleichen?
Wer vom Ziel nicht weiß,
kann den Weg nicht haben,
wird im selben Kreis
all sein Leben traben;
kommt am Ende hin,
wo er hergerückt,
hat der Menge Sinn
nur noch mehr zerstückt.
Denn zu fragen ist
nach den stillen Dingen,
und zu wagen ist,
will man Licht erringen;
wer nicht suchen kann,
wie nur je ein Freier,
bleibt im Trugesbann
siebenfacher Schleier
Den leib ein tod allein
mit wunderbaren plagen,
unmeidenlicher pein,
undienstlich langen klagen
betrübet tag und nacht,
und die seel wird gebracht
für Minos, der kein flehen
mehr pfleget anzusehen.
Superbia, Luxuria, Invedia, Gula, Ira
Avaritia cum Ira, Acedia, Invedia
Wer vom Ziel nicht weiß,
kann den Weg nicht haben,
wird im selben Kreis
all sein Leben traben;
kommt am Ende hin,
wo er hergerückt,
hat der Menge Sinn
nur noch mehr zerstückt.
Wer vom Ziel nichts kennt,
kann’s doch heut erfahren;
wenn es ihn nur brennt
nach dem Göttlich-Wahren;
wenn in Eitelkeit
er nicht ganz versunken
und vom Wein der Zeit
nicht bis oben trunken.
Das Lob der Faulheit
Das Lob der Faulheit, Rudolf Presber (1868 – 1935)
Die Faulheit ist von Herzen ehrlich,
Weil Lügen Zeit und Kräfte frißt;
Die Faulheit wird nicht staatsgefährlich,
Weil jeder Umsturz mühsam ist.
Viel tausend schöne Lieder klingen
Dem Fleiß des Strebens und der Kraft;
Ich will das Lob der Faulheit singen,
Die tausend stille Wunder schafft.
Das wär’ ein Leben ohne Trübung,
Das wär’ ein gar behaglich Ruhn –
Doch leider braucht es vieler Übung,
So recht nach Kräften nichts zu tun.
Vitanda est improba siren desidia
Actus non facit reum nisi mens sit rea
Nach fremder Ehr’ und fremdem Gelde
Geizt eine rechte Faulheit nie;
Und wie die Lilie auf dem Felde
In Sonn’ und Wetter dauert sie.
Sie kümmert gestern nicht, noch morgen;
Sie ißt und schläft und sammelt Fett;
Und ihres Nebenmenschen Sorgen
Belächelt sie vom Lotterbett.
Die Faulheit ist von Herzen ehrlich,
Weil Lügen Zeit und Kräfte frißt;
Die Faulheit wird nicht staatsgefährlich,
Weil jeder Umsturz mühsam ist.
Vitanda est improba siren desidia
Actus non facit reum nisi mens sit rea
Fromm ist die Faulheit ohne Frage,
Unnahbar allem Ketzerwahn;
Denn vor dem ersten Schöpfungstage
Hat selbst der Herrgott nichts getan.
Und wie ich klügle auch und sinne,
Die eine Lösung find’ ich bloß:
Die Faulheit war am Urbeginne
Doch alles Wirkens Mutterschoß.
Und aller Nöte, Ängste, Schrecken
Endziel wird einst nach Müh und Pein,
Wenn wir die müden Glieder strecken,
Ein Ruhe sanft! in Faulheit sein.
Ein Ruhe sanft! in Faulheit sein!
Vitanda est improba siren desidia
Actus non facit reum nisi mens sit rea
Drum das moralische Entsetzen
Versteh’ ich nicht, als Fatalist;
Was soll ich mich denn ewig hetzen,
Wenn doch der Schlaf das Ende ist?
Der Schlummer wird mich doch besiegen,
Der Traum ist doch mein letztes Los –
So bleib’ ich gleich freiwillig liegen
Und spare die Bemühung bloß.
Vitanda est improba siren desidia
Actus non facit reum nisi mens sit rea
Das Fest des Wüstlings
Requiem, „Rituale Romanum – De Exequiis Ordo” anno 1847
Grosser Zorn, Joseph Victor von Scheffel (1826 – 1886)
Das Fest des Wüstlings, Christian Morgenstern (1871 – 1914)
„Requiem aeternam dona ei, Domine,
et lux perpetua luceat ei. Requiescat in pace. Amen.
Anima eius et animae omnium fidelium defunctorum
per misericordiam Die requiescant in pace Amen.“
Mein Zorn ist groß und fürchterlich,
Ja, fürchterlich und groß,
Denn dieser dumme Erdplanet
Blamiert sich grenzenlos.
Ich wollt’, ich wär’ ein Haifisch
Im tiefen, tiefen Meer!
Dann fräß’ ich alles, was da schwimmt,
Vergnüglich ringsumehr.
Oder ein Aasgeier möcht’ ich sein
Mit scharfer, scharfer Krall’:
ich fräß das ganze Vogelgeschlecht,
Kolibri wie Nachtigall.
Ich wollt’, ich wär’ eine Klapperschlang’
In der dummen freien Natur:
Vergiftet wär’ in kurzer Zeit
Die ganze Kreatur!
Was stört so schrill die stille Nacht?
Was sprüht der Lichter Lüstrepracht?
Das ist das Fest des Wüstlings!
Das ist das Fest des Wüstlings!
Was huscht und hascht und weint und lacht?
Was cymbelt gell? Was flüstert sacht?
Das ist das Fest des Wüstlings!
Das ist das Fest des Wüstlings!
Ich wollt, ich lief mit Wutgebrüll
Herum als Mordhyäne,
ich nähm’ die ganze Menschheit wild
Als Frühstück zwischen die Zähne.
Am End’ fräß ich mit kaltem Blut
Mich selber noch dazu,
Denn eher kommt meine große Wut
Doch nimmermehr zur Ruh.
Mein Zorn ist groß und fürchterlich,
Ja, fürchterlich und groß,
Denn dieser dumme Erdplanet
Blamiert sich grenzenlos.
Was stört so schrill die stille Nacht?
Was sprüht der Lichter Lüstrepracht?
Das ist das Fest des Wüstlings!
Das ist das Fest des Wüstlings!
Die Pracht der Nacht ist jach entfacht!
Die Tugend stirbt, das Laster lacht!
Das ist das Fest des Wüstlings!
Das ist das Fest des Wüstlings!
Was stört so schrill die stille Nacht?
Was sprüht der Lichter Lüstrepracht?
Das ist das Fest des Wüstlings!
Das ist das Fest des Wüstlings!
Von des todes gewißheit und der tugend
Die Hölle, Andreas Gryphius (1616 – 1664)
Von des todes gewißheit und der tugend, Georg Rodolf Weckherlin (1584 – 1653)
In den Küssen welche Lüge & Buch der Lieder XXXV, Heinrich Heine (1797 – 1856)
Mord! Zetter! Jammer!
Angst! Creutz! Marter!
Pech! Folter! Plagen!
Flamm! Geister! Zagen!
Ich rief den Teufel und er kam,
Und ich sah ihn mit Verwundrung an.
Er ist nicht häßlich und ist nicht lahm,
Er ist ein lieber, scharmanter Mann,
Ein Mann in seinen besten Jahren,
Verbindlich und höflich und welterfahren.
Er ist ein gescheuter Diplomat,
Und spricht recht schön über Kirch und Staat.
Mord! Zetter! Jammer!
Angst! Creutz! Marter!
Pech! Folter! Plagen!
Flamm! Geister! Zagen!
Ich rief den Teufel und er kam,
Und ich sah ihn mit Verwundrung an.
Blaß ist er etwas, doch ist es kein Wunder,
Sanskrit und Hegel studiert er jetzunder.
Er lobte mein juristisches Streben,
Hat früher sich auch damit abgegeben.
Er sagte, meine Freundschaft sei
Ihm nicht zu teuer, und nickte dabei
In den Küssen welche Lüge!
Welche Wonne in dem Schein!
Ach, wie süß ist das Betrügen,
Süßer das Betrogensein!
Mord! Zetter! Jammer!
Angst! Creutz! Marter!
Pech! Folter! Plagen!
Flamm! Geister! Zagen!
Man findet nichts vollkommen in der welt
wir menschen seind mit sorgen, pein und plagen
all ort und zeit, in stäten, auf dem feld,
von himmel, luft, mer und uns selbs geschlagen
Mit wie vil angst, gefahren, müh und not
seind ohn ablaß wir menschen umgegeben!
des einen list ist oft des andern tod,
des andern herz verkrieget selbs sein leben
In den Küssen welche Lüge!
Welche Wonne in dem Schein!
Ach, wie süß ist das Betrügen,
Süßer das Betrogensein!
Liebchen, wie du dich auch wehrest,
Weiß ich doch, was du erlaubst:
Glauben will ich, was du schwörest,
Schwören will ich, was du glaubst.
Ich rief den Teufel und er kam,
Und ich sah ihn mit Verwundrung an
Und als ich recht besah sein Gesicht,
Fand ich in ihm einen alten Bekannten.’
Bis aufs Blut
Trinklied, Karl Theodor Körner (1791 – 1813)
Manifest, Schwarzblut
Kommt, Brüder, trinket froh mit mir!
Seht, wie die Becher schäumen!
Bei vollen Gläsern wollen wir
Ein Stündchen schön verträumen.
Ein Herz, im Kampf und Streit bewährt
Bei strengem Schicksalswalten,
Ein freies Herz ist Goldes wert,
Das müßt ihr fest erhalten.
Jetzt sind die Gläser alle leer;
Füllt sie noch einmal wieder!
Es wogt im Herzen hoch und hehr;
Ja, wir sind alle Brüder,
Schwarzblut! Rhythmus! Achtung! Melodie!
Schwarzblut! Tanzen! Dunkel! Harmonie!
Schwarzblut! Rhythmus! Achtung! Melodie!
Schwarzblut! Tanzen! Dunkel! Harmonie!
Kommt, Brüder, trinket froh mit mir!
Bei vollen Gläsern wollen wir
Jetzt sind die Gläser alle leer;
Füllt sie noch einmal wieder!
Ein Herz, im Kampf und Streit bewährt
Ein freies Herz ist Goldes wert
Schwarzblut! Rhythmus! Achtung! Melodie!
Schwarzblut! Tanzen! Dunkel! Harmonie!
Schwarzblut! Rhythmus! Achtung! Melodie!
Schwarzblut! Tanzen! Dunkel! Harmonie!
Unsere Seele ist unsere Stärke
Ihre Regeln haben keine Macht
Unsere Kunst ist unsere Freiheit
Unsere Freundschaft ist unsere Kraft
Schwarzblut! Rhythmus! Achtung! Melodie!
Schwarzblut! Tanzen! Dunkel! Harmonie!
Schwarzblut! Rhythmus! Achtung! Melodie!
Schwarzblut! Tanzen! Dunkel! Harmonie!
Judas
Die Welt ist die Hölle, Arthur Schopenhauer (1788 – 1860)
Scheltet das nicht Abenteuer, Otto Erich Hartleben (1864 – 1905)
Judas, Heinrich Freimuth (1836 – 1895)
Neid, Friedrich von Logau (1605 – 1655)
Der Neid, der macht uns arm;
wir hilten uns für reich,
Wann andre neben uns
uns weren alle gleich.
Gehetztem Schakal gleich, zum Klippengrat
Nimmt ein Verzweifelnder den Todeslauf.
Kennt ihr die Stirne? Habgier und Verrat
Als schwarzes Doppelsiegel steh’n darauf.
„Die Welt ist die Hölle, und die Menschen sind einerseits die gequälten Seelen und andererseits der Teufel darin.“
Drei trotz’ge Blicke wirft er himmelan,
Drei grause Flüche brüllt er in die Luft …
Ein wilder Sprung vom hohen Felsen dann .,
Und sein Gebein zerschellt in finst’rer Kluft.
Scheltet das nicht Abenteuer,
was, aus Frühlingsnacht geboren,
Sehnsucht sich geformt zu neuer
Wünsche Bild – nie mehr verloren.
Ob ich mich ans Ende wage,
bin ich dennoch zu beneiden,
denn ich lernte solcher Tage
diese neue Lust zu leiden. –
So büßte Er. Das Judasvölkchen nur
Nicht auch in seinem Ahn zu Grunde ging;
Der Völker größtes ward’s, und Judasspur
Betrittst du allwärts auf dem Erdenring.
Und Judas blieb der alte Ehrenmann:
Wenn er auch keinen Gott zu fahen weiß,
Giebt er doch leichten Sinn’s, so oft er kann,
Um eine Mark den eig’nen Vater preis.
Neid und Liebe sind nur Lügen
für ein allesfühlend Herz –
sich genügen – selbst genügen –
endlos – niegebüsster Schmerz.
Scheltet das nicht Abenteuer,
was, aus Frühlingsnacht geboren,
Sehnsucht sich geformt zu neuer
Wünsche Bild – nie mehr verloren.
Erster Schnee
Erster Schnee, Gottfried Keller (1819 – 1890)
Wie nun alles stirbt und endet
Und das letzte Lindenblatt
Müd sich an die Erde wendet
In die warme Ruhestatt,
So auch unser Tun und Lassen,
Was uns zügellos erregt,
Unser Lieben, unser Hassen
Sei zum welken Laub gelegt.
Wie nun alles stirbt und endet
Und das letzte Lindenblatt
Müd sich an die Erde wendet
In die warme Ruhestatt,
Reiner weisser Schnee, o schneie,
Decke beide Gräber zu,
Dass die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
Die allein die Liebe weckt,
Wo der Hass umsonst die Hände
Dräuend aus dem Grabe streckt.
So auch unser Tun und Lassen,
Was uns zügellos erregt,
Unser Lieben, unser Hassen
Sei zum welken Laub gelegt.
Reiner weisser Schnee, o schneie,
Decke beide Gräber zu,
Dass die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Wintersruh!
Reiner weisser Schnee, o schneie,
Decke beide Gräber zu!
Zur Hölle
Zur Hölle, Friedrich Theodor Vischer (1807 – 1887)
Lust aus Leid, Friedrich Rückert ( 1788 – 1866)
Du reizend Ungeheuer,
Neig’ her den schönen Leib!
Reich’ mir den Kelch voll Feuer
Du wunderbares Weib!
Willst du mich küssen, drücken,
Werd’ ich mich nicht entziehn,
Spür’ ich in meinem Rücken
Den Dolch auch immerhin.
Wie salzlos war’ die Liebe,
Wie matt ihr Himmelsgold
Wenn sie aus Einem Triebe
Allein bestehen sollt’!
Da ist man erst gerühret,
Das ist der rechte Spaß,
Wenn Haß die Liebe schüret
Und Liebe schürt den Haß.
Lust – Härter trifft des Unglücks Schlag,
Leid – Wenn das Glück dir hold gelacht,
Lust – Wie auf einen hellen Tag
Leid – Folget eine dunkle Nacht;
Lust – Aber wenn den Sonnenglanz
Leid – Man zurückdenkt in der Nacht,
Lust – Ist verschönt im Sternenkranz
Leid – Das verlorne Licht erwacht;
In unsrem Liebesorden
Mag man das Schlichte nicht,
Da möchte man sich morden,
Wenn man sich heiß umflicht.
Sag’, welches Erdgeists Laune
Hat dich so stolz gebaut?
Mir graut, indem ich staune,
Ich staune, wie mir graut.
Sag’, welcher wilde Dichter
Hat dich, o Weib, erdacht?
In dir die Himmelslichter
Gemischt mit Hadesnacht?
Du winkst mir in den Wagen,
Er ist schon eingespannt,
Zwei Rappen uns wohl tragen
Du weißt, in welches Land.
Du reizend Ungeheuer,
Neig’ her den schönen Leib!
Reich’ mir den Kelch voll Feuer
Du wunderbares Weib!
Willst du mich küssen, drücken,
Werd’ ich mich nicht entziehn,
Spür’ ich in meinem Rücken
Den Dolch auch immerhin.
Da bin ich schon zur Stelle,
Die Geißel schwinge frei!
Nun im Galopp zur Hölle!
Hurrah, ich bin dabei!
Sag’, welcher wilde Dichter
Hat dich, o Weib, erdacht?
In dir die Himmelslichter
Gemischt mit Hadesnacht?
Du winkst mir in den Wagen,
Er ist schon eingespannt,
Zwei Rappen uns wohl tragen
Du weißt, in welches Land.
Da bin ich schon zur Stelle,
Die Geißel schwinge frei!
Nun im Galopp zur Hölle!
Hurrah, ich bin dabei!
Da ist man erst gerühret,
Das ist der rechte Spaß,
Wenn Haß die Liebe schüret
Und Liebe schürt den Haß.
Und Liebe schürt den Haß!
Hymnus an den Zorn
Hymnus an den Zorn, Moritz Graf von Strachwitz (1822 – 1847)
Kann mir nichts die Harfe stimmen,
Nicht die Liebe, nicht der Wein,
Sei’s das zornige Ergrimmen
Über die Philisterlein;
Schon erhebt sich’s tausendtönig,
Riesenhaft in Wort und Ton:
Zorn, du freier Liederkönig,
Sei gegrüßt mir, Göttersohn!
Sei gegrüßt mir, hunderthänd’ger,
Starker Retter! Kraftentketter!
Immer stolzer und unbänd’ger
Ras’t dein wild Gedankenwetter;
Eingetaucht in Sonnenbädern,
Saust dein Schwert in glüh’nden Kreisen,
Aus den raschen Feuerrädern
Sprüh’n als Funken Liedesweisen.
Himmelssturz und Erdvernichtung
Zauberst du in Reim und Klang,
Aus dem Flammenstrom der Dichtung
Rollt’s wie Weltenuntergang.
Wie sie zornig sich umsprudeln,
Mein Klänge wild und toll,
Wie sie mich von dannen strudeln
Unbezähmbar, zaubervoll.
Auf den Nacken der Gemeinheit
Seh’ ich deine Sohle stampfen,
An des Himmels Strahlenreinheit
Deines Atems Stürme dampfen;
In dem Kote, draus sie stammen,
Seh’ ich Knecht und Memme kauern,
Wenn aus deiner Rede Flammen
Donnerkeile niederschauern.
Kann mir nichts die Harfe stimmen,
Nicht die Liebe, nicht der Wein,
Sei’s das zornige Ergrimmen
Über die Philisterlein;
Immer tobe, du Vernichter!
Mich entzückst du! mich entrückst du!
Immer leuchtender und lichter
Die Titanenwaffe zückst du!
Magst mich immerhin verderben
In dem Leuchten, in dem Lodern:
Besser in der Flamme sterben,
Als im faulen Schlamme modern.
Himmelssturz und Erdvernichtung
Zauberst du in Reim und Klang,
Aus dem Flammenstrom der Dichtung
Rollt’s wie Weltenuntergang.
Lied der Rache
Der todte Soldat, Johann Gabriel Seidl (1804 – 1875)
Lied der Rache, Ernst Moritz Arndt (1969 – 1860)
Dies irae, Dies irae (lat. „Tag des Zorns“) Hymnus vom Jüngsten Gericht. Fester Bestandteil der Totenmesse.
Auf zur Rache! auf zur Rache!
HU HA HU HA
Auf zur Rache! auf zur Rache!
HU HA AHOI
Auf ferner fremder Aue
Da liegt ein todter Soldat,
Ein ungezählter, vergess’ner,
Wie brav er gekämpft auch hat.
Es reiten viel Generale
Mit Kreuzen an ihm vorbei;
Denkt keiner, daß der da lieget,
Auch werth eines Kreuzleins sei
Es ist um manchen Gefall’nen,
Viel Frag’ und Jammer dort,
Doch für den armen Soldaten
Gibt’s weder Thräne noch Wort.
Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla,
Teste David cum Sibylla.
Dies irae, dies illa
Quantus tremor est futurus,
Quando judex est venturus,
Cuncta stricte discussurus!
Quantus tremor est futurus
Doch ferne, wo er zu Hause,
Da sitzt, beim Abendroth,
Ein Vater voll banger Ahnung,
Und sagt: »Gewiß, er ist todt!«
Da sitzt eine weinende Mutter,
Und schluchzet laut: »Gott helf’!
»Er hat sich angemeldet:
»Die Uhr bleib steh’n um Elf!«
Tuba mirum spargens sonum
Per sepulcra regionum,
Coget omnes ante thronum.
Tuba mirum spargens sonum
Mors stupebit et natura,
Cum resurget creatura,
Judicanti responsura.
Mors stupebit et natura
Da starrt ein blasses Mädchen
Hinaus in’s Dämmerlicht:
»Und ist er dahin und gestorben,
»Meinem Herzen stirbt er nicht!«
Drei Augenpaare schicken,
So heiß es ein Herz nur kann,
Für den armen, todten Soldaten
Ihre Thränen zum Himmel hinan.
Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus,
Cum vix justus sit securus?
Quid sum miser tunc dicturus?
Rex tremendae majestatis
qui salvandos salvas gratis
salva me, fons pietatis
Rex tremendae majestatis
Juste Judex ultionis,
Donum fac remissionis
Ante diem rationis.
Juste Judex ultionis,
Ingemisco tanquam reus,
Culpa rubet vultus meus;
Supplicanti parce, Deus.
Ingemisco tanquam reus
Und der Himmel nimmt die Thränen
In einem Wölkchen auf,
Und trägt es zur fernen Aue
Hinüber im raschen Lauf;
Und gießet aus der Wolke die Thränen
Auf’s Haupt des Todten als Thau,
Daß er unbeweint nicht liege
Auf ferner, fremder Au.
Confutatis maledictis
Flammis acribus addictis,
Voca me cum benedictis.
Confutatis maledictis
Lacrimosa dies illa,
Qua resurget ex favilla
Judicandus homo reus.
Huic ergo parce, Deus
Auf zur Rache! auf zur Rache!
Auf zur Rache! auf zur Rache!
Auf zur Rache! auf zur Rache!
Auf zur Rache! auf zur Rache!
AHOI!