1. Der Abschied
2. Nähe des Geliebten
3. Muß es eine Trennung geben
4. Kontrast
5. Dämmrung senkte sich von oben
Der Abschied
Der Abschied, Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Laß mein Aug den Abschied sagen,
Den mein Mund nicht nehmen kann!
Schwer, wie schwer ist er zu tragen!
Und ich bin doch sonst ein Mann.
Traurig wird in dieser Stunde
Selbst der Liebe süßstes Pfand,
Kalt der Kuß von deinem Munde,
Matt der Druck von deiner Hand.
Sonst, ein leicht gestohlnes Mäulchen,
O wie hat es mich entzückt!
So erfreuet uns ein Veilchen,
Das man früh im März gepflückt.
Doch ich pflücke nun kein Kränzchen,
Keine Rose mehr für dich.
Frühling ist es, liebes Fränzchen,
Aber leider Herbst für mich!
Zu lieblich ist’s, ein Wort zu brechen,
Zu schwer die wohlerkannte Pflicht,
Und leider kann man nichts versprechen,
Was unserm Herzen widerspricht.
Du übst die alten Zauberlieder,
Du lockst ihn, der kaum ruhig war,
Zum Schaukelkahn der süßen Torheit wieder,
Erneust, verdoppeltst die Gefahr.
Was suchst du mir dich zu verstecken!
Sei offen, flieh nicht meinem Blick!
Früh oder spät mußt’ ich’s entdecken,
Und hier hast du dein Wort zurück.
Was ich gesollt, hab’ ich vollendet;
Durch mich sei dir von nun an nichts verwehrt;
Allein, verzeih dem Freund, der sich nun von dir wendet
Und still in sich zurücke kehrt.
Nähe des Geliebten
Nähe des Geliebten, Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere strahlt;
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.
Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt;
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege
Der Wandrer bebt.
Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen
Die Welle steigt.
Im stillen Hain da geh ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.
Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne.
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne.
O wärst du da!
Amor est vitae essentia
Meminerunt omnia amantes
Ich denke dein
Ich sehe dich
Ich höre dich
Ich bin bei dir
Amor est vitae essentia
Meminerunt omnia amantes
Muß es eine Trennung geben
Muß es eine Trennung geben, Ludwig Tieck (1773-1853)
Muß es eine Trennung geben,
Die das treue Herz zerbricht?
Nein, dies nenne ich nicht leben,
Sterben ist so bitter nicht.
Wie schnell verschwindet
So Licht als Glanz,
Der Morgen findet
Verwelkt den Kranz,
Der gestern glühte
In aller Pracht,
Denn er verblühte
In dunkler Nacht.
Es schwimmt die Welle
Des Lebens hin,
Und färbt sich helle,
Hat’s nicht Gewinn;
Hör’ ich eines Schäfers Flöte,
Härme ich mich inniglich,
Seh’ ich in die Abendröte,
Denk’ ich brünstiglich an dich.
Die Sonne neigert,
Die Röte flieht,
Der Schatten steiget
Und Dunkel zieht.
So schwimmt die Liebe
Zu Wüsten ab,
Ach, daß sie bliebe
Bis an das Grab!
Doch wir erwachen
Zu tiefer Qual:
Es bricht der Nachen,
Es löscht der Strahl.
Vom schönen Lande
Weit weggebracht
Zum öden Strande,
Wo um uns Nacht.
Gibt es denn kein wahres Lieben?
Muß denn Schmerz und Trennung sein?
Wär’ ich ungeliebt geblieben,
Hätt’ ich doch noch Hoffnungsschein.
Wie schnell verschwindet
So Licht als Glanz,
Der Morgen findet
Verwelkt den Kranz,
Der gestern glühte
In aller Pracht,
Denn er verblühte
In dunkler Nacht.
Es schwimmt die Welle
Des Lebens hin,
Und färbt sich helle,
Hat’s nicht Gewinn;
Aber so muß ich nun klagen:
Wo ist Hoffnung, als das Grab?
Fern muß ich mein Elend tragen,
Heimlich bricht das Herz mir ab.
Kontrast
nach Friedrich Rückert (1788 – 1866), Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) und Schwarzblut
Besser laufen, als faulen
Links und rechts und links
Besser laufen, als faulen
Wir sterben allerdings
So weit nun hab ichs schon gebracht
Mit meinem Schmerz bei Tag und Nacht,
Daß ich dich lieber weiß begraben,
Als sollt ich nie gehabt dich haben.
Mein schwarzes Blut, mein weiβe Haut
Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt
Mein schwarzes Blut, mein weiβe Haut
Es gibt keine Hoffnung mehr
Wenn ein Mann an nichts mehr glaubt
Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt
Dies ist meine Kriegserklärung an die Menschheit
Dies ist meine Liebeserklärung an das Ende unserer Zeit
Besser laufen, als faulen
Links und rechts und links
Marchieren, wir ziehen in den Krieg
Und sterben allerdings
Doch daß ich nicht, wär mirs verliehen,
Dich wieder möcht hernieder ziehen
Mit meinem Schmerz bei Tag und Nacht,
Soweit hab ich’s noch nicht gebracht.
Mein schwarzes Blut, mein weiβe Haut
Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt
Es gibt keine Hoffnung mehr
Wenn ein Mann an nichts mehr glaubt
Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt
Dies ist meine Kriegserklärung an die Menschheit
Dies ist meine Liebeserklärung an das Ende unserer Zeit
Man sagt: Sie sind ein Misanthrop!
Die Menschen haß ich nicht, gottlob!
Doch Menschenhaß, er blies mich an,
Da hab ich gleich dazu getan
Dämmrung senkte sich von oben
Dämmrung senkte sich von oben, Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Dämmrung senkte sich von oben,
Schon ist alle Nähe fern;
Doch zuerst emporgehoben
Holden Lichts der Abendstern!
Alles schwankt ins Ungewisse,
Nebel schleichen in die Höh;
Schwarzvertiefte Finsternisse
Widerspiegelnd ruht der See.
Nun im östlichen Bereiche
Ahnd ich Mondenglanz und -glut,
Schlanker Weiden Haargezweige
Scherzen auf der nächsten Flut.
Durch bewegter Schatten Spiele
Zittert Lunas Zauberschein
Und durchs Auge schleicht die Kühle
Sänftigend ins Herz hinein.